03.09.18

Nachruf auf Heinrich Wittram

geb. 1931 in Riga -
gest. 2018 in Hemmingen

Im August diesen Jahres starb Superintent i.R. D. Heinrich Wittram. Die ev.-luth. Kirchen im Baltikum, einschliesslich der deutschsprachigen Gemeinden, trauern um einen lieben Freund. Heinrich Wittram hat sich, so lange ich ihn kenne, stets sehr für unsere Kirchen und Gemeinden eingesetzt. Dabei waren sein christlicher Glaube und seine deutschbaltische Herkunft eine für ihn selbstverständliche Motivation, Gutes zu tun, bei der Suche nach Lösungen für Probleme zu helfen und Kontakte über die Grenzen der Sprachen, der theologischen Auffassungen und der kulturellen und historischen Prägungen zu knüpfen. Es gelang ihm, mit ganz unterschiedlichen Menschen zum Wohle des Ganzen zusammenzuarbeiten. Er war mit seinem gewaltigen kirchenhistorischen Wissen eine Autorität, die uns mit dem historischen Erbe der Deutschbalten verband. Ohne dieses Erbe je zu verleugnen und dessen positive Aspekte in seinen Arbeiten hervorhebend, vermochte er auch die schmerzhaften Seiten zu sehen und anzuerkennen. In Begegnungen und Verhandlungen war er stets ausgleichend und darum bemüht, dass allen Beteiligten Raum und Gehör gegeben werde.
Ich lernte ihn 1997 beim kirchengeschichtlichen Symposium in Tartu kennen. Er konnte spannend und voller Begeisterung von der grossen Geschichte unserer estnischen Universitätsstadt berichten. Auch auf seine Bemühungen hin konnte ich im Jahr 2000 meine erste Pfarrstelle in Riga antreten. In dieser Zeit war er mir ein wichtiger Gesprächspartner, der mir vieles über die Geschichte der Gemeinde, der Kirche und des Landes erschliessen half. Im Jahr 2006 war eine von ihm geführte Reisegruppe die erste, mit der ich in Estland an meiner neuen Pfarrstelle zusammentraf. Bei dieser Begegnung erkundigte er sich nicht nur über die Lage in Kirche, Gemeinde und Gesellschaft, sondern auch über unser familiäres Wohlergehen als „Übersiedler“. Obgleich die Begegnungen in Estland nicht so häufig waren wie vorher in Lettland, blieb unsere Beziehung über die Jahre herzlich. Er nahm Anteil an unserem Leben in Estland und wir an seinem in Deutschland, einschliesslich der schweren Momente, wie seiner Krebserkrankung oder des Verlustes seiner lieben Frau Helga.
Für seine Freundlichkeit, die er auch bei aller notwendigen Klarheit in der Diskussion beibehielt, habe ich ihn stets bewundert. Etwa 20 mal habe ich in den vergangenen 20 Jahren gehört, wie er bei Begegnungen gefragt wurde, ob er der Autor der „Baltischen Kirchengeschichte“ sei. Stets verneinte er freundlich und sagte, dass der Autor sein Vater Reinhard gewesen sei. Hochgerechnet auf die vielen Begegnungen, bei denen ich nicht dabei war, hat er diese Frage wohl in seinem Leben viele tausende Male beantworten müssen und ist dabei mutmasslich immer ebenso freundlich geblieben…
Möge Gott ihm in Christus seinen Frieden schenken und eine fröhliche Auferweckung!
Die deutschsprachigen Gemeinden in Estland und Lettland werden sein Andenken in Ehren halten.

Matthias Burghardt